ZUR VIELFALT VERPFLICHTET • Das Buch Richter I
Lesungen:
Ri 2, 20 -3,6 …Darum ließ der Herr diese Völker im Land…
Lk 12, 54-57 Warum könnt ihr dann die Zeichen der Zeit nicht deuten?
Worte zur Schrift: Hannes Hochmeister
Das Buch Richter
Im vergangenen Sommer 2024 haben wir in Drosendorf das Buch Richter gelesen.
Das ist heftige Lektüre! Skurrile Geschichten von Held*innen und Herrschern, von Krieg und Gewalt, mit Täter*innen und Opfern in großer Zahl. Verstörend,wie ungeschönt die Brutalität des Krieges dargestellt ist, noch verstörender ist, dass das alles leider noch immer aktuell ist.
Konflikte um Land, Kriege zwischen eigentlich recht verwandten Stämmen und Völkern, Fragen des Zusammenlebens in kultureller Vielfalt. Fragen v.a. um die rechte Form der Gesellschaftsordnung und Herrschaft: das Buch Richter zeigt den Übergang von einer Stammesgesellschaft, die durch charismatische Richterpersönlichkeiten geführt wurde zur Errichtung einer Königsdynastie und Staatsgründung. Hier im Übergang wird noch kontrovers diskutiert, ob eine Königsherrschaft förderlich ist oder nicht, ob sie dem JHWH-Glauben entspricht oder eine Eigendynamik an Machtinteressen entwickelt.
Das Buch Richter enthält sowohl kritische als auch königsfreundliche Äußerungen und Deutungen. Und einen schonungslosen Blick auf die eigene Geschichte, in der man nichts aus den Fehlern gelernt hat.
Auffallend bei all den unglaublichen Räubergeschichten ist die große Zahl an Frauen, die dabei eine Rolle spielen, oft eine entscheidende: sei es als Prophetin, Richterin, Heldin, die den Feind umbringt, oder auch als Opfer von väterlichen Versprechen oder Rachegelüsten oder sexueller Gewalt. Ein heftiges Buch, ein verstörendes Buch.Es beschreibt ungeschminkt Realität; moralische Urteile oder theologische Sinndeutung bietet es nicht. Gott kommt selten vor, und dann in zweifelhafter Rolle.
„Warum lesen wir sowas in St. Ruprecht?“ Ja, natürlich sollte man kennen, was in der Bibel steht. „Aber warum lesen wir das im Gottesdienst, wenn es so gar nicht erbaulich ist?“ Vielleicht macht es uns aufmerksam im Umgang mit Macht und Herrschaft, zeigt, wohin die Spirale der Gewalt führt und was Krieg anrichtet.
Vielleicht lässt sich ja doch was aus der Geschichte lernen? Vielleicht helfen die märchenhaften Züge, tiefenpsychologisch betrachtet, für die eigene Held*innenreise, die persönliche Reifungsgeschichte? Auf jeden Fall ist es ein spannendes Buch, das uns durch die Fastenzeit begleiten wird.
Renate Hochmeister