Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10). Im Bild vom guten Hirten und den Schafen ist uns reichliches, vielleicht auch reiches Leben zugesagt. Versorgung und Überschwang. In der Entwicklung der Redensart „etwas in Hülle und Fülle haben“ zeigt sich die inflationäre Zunahme unserer Bedürfnisse. Paul Gerhardt konnte im 17. Jahrhundert noch höchst bescheiden bitten und beten: „Darum so gib mir Füll und Hüll, nicht zu wenig, nicht zu viel.“ Und er erbat dabei bloß ausreichende Bekleidung und Nahrung für geleistete Arbeit, wenn schon kein monetärer Lohn gezahlt wurde. Die Lebensgrundlage war mit gewährleisteter „Hülle und Fülle“ gesichert. Und heute? Steht „Hülle und Fülle“ nahe am ungerechten Überfluss, führt das ungesunde Zuviel an Gütern in die Sackgasse und nimmt einem großen Teil der Menschen das Notwendigste. Was ist das oben zugesagte Leben in Fülle? Sicher nicht befriedigt durch wirtschaftlichen Überfluss, nicht ausgeschöpft durch ultimativen Spaß oder gesättigt durch andauernde Action. Nicht das, womit auch wir von Werbung und Ideal gekitzelt werden. Verschiebt sich in Zeiten einer beschränkenden Pandemie das Verhältnis von Qualität und Quantität? Gibt es für reich und arm also einen gemeinsamen Mangel, den zu beheben Lebensaufgabe ist? Leben in Fülle: sich einlassen auf all das, was im Laufe eines Lebens auf uns zukommt – Gutes, Ungutes, Leichtes, Schwieriges • weil alles davon zum Leben gehör t • weil wir vertrauen, dass wir den Weg nicht allein gehen müssen • weil Abspalten und Zudecken von unliebsamen Teilen unlebendig macht • weil wir es laut Jesus können Übertriebene Ängstlichkeit und Vorsorgementalität versuchen, das Leben abzusichern, und sind gewiss geeignet, es zu hemmen. Doch jeder Tag hat neben seiner eigenen Plage auch seine eigene Fülle. In der Vorbereitungszeit auf das Pfingstfest gab es Lyrik ausgewählt und kommentiert von Menschen aus der Gemeinde in der Kirche und eine Version auf der Homepage.
Gottesdienste – Worte zur Schrift zum Nachlesen: